Bahnhofsgedenkstätte Denkmal enthüllt- Erinnerungen an den Zugbeschuss von 1944 im Werther Bahnhof

Heimatverein_Werth_Blumenaktion_2019_004von Johann Radstaak

Nach 75 Jahren konnte endlich eine würdig gestaltete Gedenkstätte zur Erinnerung an den schicksalhaften Zugbeschuss im ehemaligen Bahnhof von Werth enthüllt werden.

Was war damals im vorletzten Kriegsjahr geschehen?
Am 02.12.1944 fand am frühen Morgen in Apeldoorn NL eine Razzia durch NS-Soldaten statt. Fast 11 000 Männer im Alter von 16 bis 75 Jahren wurden aus den Häusern geholt oder auf dem Weg festgehalten und unter Bewachung zum Marktplatz im Zentrum von Apeldoorn geführt.Dort wurden schließlich 4 500 junge und erwachsene Männer rekrutiert und zur NS-Station gebracht, wo sie auf 2 Züge gedrängt wurden.Die Züge bestanden aus einer Lokomotive mit dahinter gehängten sechs Personenzügen und zehn Viehwagen. Das Ziel war die sog. Issellinie, eine weitere Verteidigungslinie neben der Rheinschiene.
Der erste Zug verließ am 02.12.1944 gegen 18.00Uhr den Bahnhof von Apeldoorn NL, der zweite Zug folgte gegen 19.30Uhr.Am 03.Dezember gegen 09.00Uhr erreichte der Zug den Bahnhof von Werth, wo das Inferno begann. Der Transportzug wurde sogleich aus der Luft heraus durch alliierte Piloten und deren Mannschaften beschossen. Der Zug, voll mit Zwangsarbeitern, stand unter ständiger, sehr strenger Bewachung durch deutsche Soldaten. Diese saßen zur Bewachung zunächst auf und zwischen den Zügen, dann auch nach Berichten einiger Überlebenden in dem nahegelegenen Graben. Die Zwangsarbeiter hatten keine Chance, die Flucht zu ergreifen. Die Piloten, die inzwischen mit ihren Flugzeugen um den Bahnhofsbezirk kreisten, hatten offensichtlich angenommen, dass es sich um einen Militärtransport handele. Deshalb hatten sie beschlossen, die Lokomotive und die daran gekoppelten Waggons und Viehwagen zu beschießen. 20 Männer wurden bei dem Beschuss getötet. die Verletzten wurden von Bewohnern in Werth versorgt, vorwiegend auf dem nahegelegenen Gehöft Hübers. Auch wenn wir heute nur versuchen können, die ganze Dimension des schicksalhaften Geschehen zu ermessen, so dürfe wir doch niemals die Augen verschließen.

Wie ist es nun dazu gekommen, auch hier in Werth im Bereich des Bahnhofs eine Gedenkstätte zu errichten?
Begonnen hatte alles mit einem Schreiben und einer Informationsschrift, die die ehemalige Vorsitzende des Heimatvereins Werth, Lore Blecking, vom Stadtarchiv Rees über Tina Oostendorp und dem Vorsitzenden Arend Disberg der ,,Stichting Dwangarbeider Apeldoorn 1940-45 “ bekommen hatte. Die Information waren zum großen Teil in niederländischer Sprache verfasst. Lore Blecking überreichte mir (Johann Radstaak) die Unterlagen zur Durchsicht. Die Schriftstücke wiesen die menschenunwürdige Lage der nicht nur aus den Niederlanden stammenden Zwangsarbeiter im Lager Rees aus. Auch der Beschuss des Zuges in Werth wurde ausführlich dokumentiert. Dieses Geschehen war mir bereits vor längerer Zeit durch den Augenzeugen Reinhard Hübers bekannt gemacht worden.Auch Lore Blecking hatte über ihren Ehemann davon erfahren. Arend Disberg schrieb mir per mail, dass es in Rees ein Zwangsarbeiterlager gegeben habe, zumeist mit niederländischen Deportierten, die in menschenunwürdigen Verhältnissen gefangen gehalten wurden.Außerdem muss es Misshandlungen, Epidemien und Hungertod von 550 Menschen gegeben haben.

Nun begannen für uns in Werth, insbesondere für den Heimatverein, die Überlegungen, in welcher Weise man auf das verhängnisvolle Geschehen am Werther Bahnhof reagieren könne. Die Besichtigungen entsprechender Gedenkstätten in Rees, Bienen und Megchelen NL durch den Heimatverein und die Teilnahme an der Gedenkfeiern in Rees trugen entscheidend dazu bei, auch in Werth ein Denkmal zur Erinnerung an die Geschehnisse aufzustellen. Insbesondere die Gedenkfeiern in Apeldoorn NL und Rees hinterließen bei mir persönlich einen nachhaltigen Eindruck.
Der Heimatverein entschloss sich nun, auch in Werth ein Denkmal zu errichten. Der Platz an der Deichstraße, genau an der Stelle, wo die Bahnschienen die Straße kreuzten, erwies sich als geeigneter Standort. Nach Verhandlungen mit dem Kreis Borken, der Stadt Isselburg, der Steinmetzfirma Lorei in Bocholt konnte das Projekt Gestalt annehmen. Der HVW entschied sich für drei Stelen aus Dolomitgestein und einer Informationstafel in deutscher und niederländischer Sprache. Das Projekt wurde dankeswerterweise durch die „Stichting Apeldoorn“, insbesondere durch den Vorsitzenden Arend Disberg in vielfältiger Weise unterstützt. Es entwickelte sich ein reger Austausch per Mail und bei vielen Begegnungen, vor allem hinsichtlich der historischen Gegebenheiten (So bekam ich u.a. auch noch Infos zur gemeinsamen Geschichte Culemborg- Werth).
Wann und in welcher Form sollte man nun die Enthüllungsfeier festlegen. Glücklicherweise konnte noch alles rechtzeitig fertiggestellt werden. Weitere Vorbereitungen wurden getroffen.

Am Samstag , den 23.März 2019 um 14.00 Uhr traf zur Einweihung eine große Delegation aus den Niederlanden, vorwiegend aus Apeldorn, in Werth ein, um an der Feier teilzunehmen.Zahlreiche Werther Bürgerinnen und Bürger hatten sich darüber hinaus am neuen Denkmal versammelt. Beste Vorbereitungen und das gute Wetter trugen entscheidend zum Gelingen dieser würdevoll gestalteten Feier bei.
Ablauf der Veranstaltung-
Musikstück der Bläser: Tim Heidemann (Trompete), Nils Jordan (Trompete), Kai Dunkerbeck (Tenorhorn), alle aus Werth, Frank Lamers,
Isselburg (Tenorhorn)
Begrüßung/Führung durch das Programm: Hermann van Thiel
Grußworte des Bürgermeisters der Stadt Isselburg: Michael Carbanje
Musikstück der Bläser
Enthüllung des Denkmals durch die Überlebenden: A. Gerritse und J. Regts
Musikstück auf der Violine: Astrid Marunski/Radstaak
Ansprache des Vorsitzenden der „Stichting Dwangsarbeider Apeldoorn 1940-1945“:Arend Disberg, zur Historie, Vorlesen eines Augenzeugenberichts
Ansprache: Tina Oostendorp, Stadtarchiv Rees, mit Verlesung eines Augenzeugenberichts
Niederlegen von Blumen durch Lore Blecking (ehemalige Vorsitzende des Heimatvereins)
Ansprache von Johann Radstaak zur Bedeutung der Erinnerungskultur
Abschluss: Musikstück auf der Violine

Nach der Feier hatten die Gäste aus den Niederlanden noch die Möglichkeit, den Bereich des alten Bahnhof mit den beiden Zugwaggons zu besuchen. Einer der beiden Wagons ist aus dem Jahre 1943, was sicherlich bei den Überlebenden schmerzliche Erinnerungen hervorgerufen hat, nicht minder bei den Angehörigen der getöteten Zwangsarbeiter. Mit dem Besuch des Bahnhofbereiches war die Gedenkfeier zur Enthüllung beendet. Der Heimatverein hatte es sich jedoch nicht nehmen lassen, die Gäste zu Kaffee und Kuchen ins ev. Jugendheim an der Binnenstraße einzuladen. Dort war ein großes Kuchenbuffet aufgebaut, das die Besucher geradezu in Staunen versetzte. Frauen (vielleicht auch Männer) des Heimatvereinvorstand und andere Frauen des Mitgliederkreises, hatten eine Fülle an Kuchenkreationen gebacken. Einige Gäste ließen es sich nicht nehmen, die auf mehreren Tischen präsentierten Backkunstwerke zunächst zu fotografieren. Etwa 100 Gäste aus den Niederlanden und Besucher aus Werth saßen gemütlich bei Kaffee und Kuchen zusammen. Es kam zu regem Gedankenaustausch und vielen freundschaftlichen Gesprächen.

Die Erinnerung an das schicksalhafte Geschehen im Jahre 1944 hat mit dieser Veranstaltung kein Ende gefunden. Die Rückschau in die Vergangenheit bekräftigt uns, für die Zukunft zu arbeiten, einer Zukunft in Frieden und der Verständigung unter den Völkern. Der Heimatverein Werth und viele Beteiligte, auch aus den Niederlanden, haben mit der neuen Gedenkstätte ein Zeichen gesetzt für ein friedliches Miteinander.
Das Denkmal steht für die Würde des Menschen, die unantastbar ist.
Johann Radstaak